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Über die Doppelmoral – wie viel ist ein Leben wert?

 

        Von: René Hochkogler

Die letzten Tage dominierte ein Thema unsere Medien:
Das bis vor kurzem verschollen geglaubte Tauchboot Titan, welches unlängst auf seinem Weg zum Wrack der Titanic verschwand. Mittlerweile wurde bestätigt, dass die Titan nach einer Implosion gesunken ist und alle fünf Insassen ums Leben gekommen sind.
Bis zur Veröffentlichung dieser schrecklichen Tatsache lief ein Wettkampf gegen die Zeit. Fünf Menschen befanden sich in der kaum sieben Meter großen Kapsel - 96 Stunden hätte der Sauerstoff an Bord gereicht. Bei der Suche nach ihnen wurde bemerkenswertes von den Helfern geleistet.

Als ein kanadisches Militärflugzeug per Sonar Klopfgeräusche verorten konnte wurden hochmoderne Tauchroboter zu Wasser gelassen, die sofort mit der Suche in besagtem Gebiet begannen. Währenddessen befanden sich acht weitere Schiffe auf Anfahrt, voll beladen mit medizinischem Personal, Forschern, Dekompressionskammern und Bergesystemen des US-Militärs. Die amerikanische Nationalgarde ließ unermüdlich mit Flugzeugen die Oberfläche des Atlantiks absuchen um die Dutzendschaft der kommerziellen Schiffe vor Ort zu unterstützen die nach Bekanntwerden der Tragödie zum Unglücksort eilten. Lobenswerterweise wurden keine Kosten und Mühen gescheut eine Rettungsmöglichkeit für die Opfer dieser Tragödie zu schaffen. Wie mittlerweile bekannt wurde war der Tauchgang selbst eine hoch riskante Unternehmung. Ehemalige Mitarbeiter äußerten in Interviews den Verdacht, dass ihrerseits erhobene Sicherheitsbedenken zu ihrer Kündigung geführt hätten. Ob die angesprochenen Mängel im Anschluss bewusst ignoriert oder einfach nicht erkannt wurden, wird Gegenstand der Ermittlungen werden. Jedoch lässt sich das Gefühl eines gewissen wirtschaftlichen Interesses nur schwer abschütteln welches dazu geführt haben könnte diese Expedition auch wider besseres Wissen durchgeführt zu haben. Für umgerechnet 229.000€ pro Kopf und Nase saßen die mittlerweile Verstorbenen eng an eng in jener Kapsel die ihnen einen Blick auf die Titanic ermöglichen hätte sollen – jenes Massengrab der Vergangenheit.
Dekadent-Morbider Katastrophenstourismus als Geschäftsmodell und Kulmination des Kapitalismus.

Medial wesentlich weniger Beachtung fand dieser Tage der am 20.06. begangene Tag des Flüchtlings. Er soll daran erinnern, dass jedes Jahr Millionen von Menschen gezwungen sind ihre Heimat zu verlassen. 27.000 von ihnen überlebten seit dem Jahr 2014 die Überfahrt über das Mittelmeer nicht. Ertrunken, verdurstet oder erstickt in engen Laderäumen. Einer von ihnen war Alan Kurdi, jener syrische Junge dessen ikonisches Bild das fulminante Versagen europäischer Flüchtlingspolitik um die Welt gehen ließ. Der darauffolgende Aufschrei war enorm und doch schnell wieder vergessen, was auch die jüngsten Ereignisse beweisen. Erst am 14.06.23 sank erneut ein völlig überfülltes Flüchtlingsboot in europäischen Gewässern auf dem mehr als 700 Menschen vermutet wurden. Bereits 48 Stunden später wurde die inkonsequente Suche eingestellt. Somit wurden mehr als 500 Menschen ohne Beweise faktisch für tot erklärt und einem ungewissen Schicksal überlassen.
Doch auch im Mittelmeer findet sich eine solidarische Gemeinschaft die humanitäre Hilfe leisten möchte. Menschen, die aus moralischen Gründen teilweise ihr ganzes Erspartes einsetzen und ihr Leben in sozialer Sicherheit aufgeben, um das zu tun wozu die europäische Gemeinschaft nicht im Stande scheint - Seenotrettung.
Im Atlantik wurden die Helfer zu Helden stilisiert, im Mittelmeer erwartet einen für gleiches Engagement nur die Kriminalisierung. Carola Rackete, Claus-Peter Reisch, Pia Klemp, Stefan Schmidt. Was sich liest wie die Gründernamen eines neuen Start-ups ist für die europäische Justiz scheinbar eine kriminelle Vereinigung. Schlepperei, Beihilfe zur illegalen Migration, unerlaubtes Eindringen in nationale Hoheitsgewässer und Widerstand gegen ein Kriegsschiff. Die Vorwürfe mit denen sie sich in der Vergangenheit konfrontiert sahen wiegen schwer. Der hanebüchene Lohn für die Rettung hunderter Menschenleben.


Was nach dieser Gegenüberstellung bleibt ist der Eindruck einer entwürdigenden Doppelmoral. Als wäre das Leben eines Milliardärs mehr wert als jenes eines syrischen Flüchtlingskindes. Entfernen wir uns im Namen der Menschlichkeit von dieser Heuchelei und werden wir dem Versprechen gerecht welches am österreichischen Parlament prangt.

doppelmoral

Quelle: Wikipedia / Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

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