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Meine ganz persönliche Wählerstromanalyse

           Von: Josef Wallinger

Was veranlasst einen aus einem sozialdemokratischen Hintergrund stammenden Studenten in den 80-er Jahren sich nach deren Gründung den Grünen anzuschließen und nach einem Briefaustausch mit dem damaligen Wissenschaftsminister Heinz Fischer wieder in den Schoß der SPÖ, seiner Herzenspartei, zurückzukehren und, zuletzt, was hat das alles mit der jetzigen Situation unserer leidgeprüften SPÖ und einer möglichen Regierungsbeteiligung bzw. -übernahme zu tun?

Die grundsätzliche politische Prägung war durch den aus dem Arbeitermilieu stammenden Vater klar. Der durch den Übervater Kreisky vollzogene Wandel der Gesellschaft machte den Aufstieg zum Akademiker möglich, und doch – trotz aller Dankbarkeit – gab es einen Ausflug zur neuen Reformpartei, den Grünen, wobei der Knackpunkt wohl Kreiskys einstige Befürwortung der Atomkraft war, die ja auch die zentrale Existenzberechtigung der neuen Öko-Partei bildete. Nach Zwentendorf kam es 1984 durch die in der Hainburger Au protestierenden Grünbewegten mit dem dann doch nicht gebauten Kraftwerk-Hainburg zu einer weiteren Stabilisierung der Grünen und zu deren Einzug in den Nationalrat. Just in der Eskalationsphase des Konflikts vor Weihnachten 1984 nahm ich brieflich Kontakt zu dem mir als weltoffen erscheinenden Wissenschaftsminister Heinz Fischer auf, um ihm klarzumachen, dass ein selbst mit Gewaltmitteln durchgesetztes Kraftwerk Hainburg dazu angetan war, ehemals junge sozialdemokratische Wähler wohl langfristig an die Grünen zu verlieren. Nach dem von der SPÖ ausgerufenen Weihnachtsfrieden und dem darauffolgenden Stopp des Kraftwerkbaus kam schließlich im Jänner die Antwort des Ministers, indem er sinngemäß meinte: Sehen Sie, wir sind nicht über die Bedenken breiter Kreise der Bevölkerung, insbesondere der jungen Generation, hinweggegangen und haben weise entschieden. Dem war wenig entgegenzusetzen und als ich am Tag meiner Sponsion noch ein persönliches Glückwunschtelegramm des Wissenschaftsministers erhielt, wie immer dieser das herausgefunden haben mochte, begann es wohl wieder in mir zu arbeiten. Als dann Franz Vranitzky nach dem Aufstieg Jörg Haiders auf dem Parteitag zum Vorsitzenden der FPÖ in Innsbruck(!) die Regierung mit der eher liberalen Steger-FPÖ aufkündigte, war mir endgültig klar, was bei der nächsten Wahl zu tun war, um eine aufstrebende ÖVP-Regierung zu verhindern.

Machen wir nun einen Sprung in die Gegenwart und betrachten wir die Wählerströme, die wohl durch die Wahl von Andreas Babler gravierend verändert wurden. Ein linker SPÖ-Vorsitzender, der noch dazu Tempo 100 auf Autobahnen propagiert, ist keine gute Nachricht für die Grünen. Die sozialen Themen, die die Grünen ihrer Regierung mit der ÖVP opfern mussten, werden ebenfalls von Babler besetzt und so verwundert es nicht, dass die Grünen derzeit – trotz wichtiger Teilerfolge in der Regierung – unter zehn Prozent liegen und so eine Ampelkoalition, wie sie sich der SPÖ-Vorsitzende wünscht, in weite Ferne gerückt ist. Und trotzdem sind die seit jeher bestehenden wechselseitigen Ressentiments zwischen SPÖ und Grünen unverständlich, steht man sich doch insgesamt ideologisch eindeutig am nächsten. So sehr Babler die linken Stimmen der Grünen anzapfen wird, so sehr ist er gleichsam der Wunschgegner von ÖVP und FPÖ. Und das hat zweifellos mit seinen teilweise derzeit unrealistischen Kerninhalten zu tun, die ihm sogar in den eigenen Reihen Probleme und Gegnerschaft bereiten, geschweige denn dass er so von der derzeitigen Regierung frustrierte liberale Wähler der ÖVP gewinnen könnte, die ihm den so wichtigen zweiten Platz sichern würden und somit, ja zusammen mit der ÖVP und den stimmenmäßig wahrscheinlich nötigen Grünen, die Kanzlerschaft sichern würden. Also, schlag nach bei Kreisky: Ein Stück des Weges gemeinsam gehen“ hieß es damals in der Zeit absoluter SP-Mehrheiten. Und dazu bräuchte es ideologisch gefestigte, aber trotzdem pragmatische Persönlichkeiten wie Franz Vranitzky und den früheren Bundespräsidenten Heinz Fischer, damit der nächste Kanzler nicht Kickl, sondern Babler heißt.

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