Von: René Hochkogler
Seit einigen Jahrzehnten findet in Tirol ein sozialer Strukturwandel statt, dessen Folgen immer mehr zum Problem für unser Zusammenleben werden:
Die Lebenshaltungskosten in Tirol sind enorm und das nicht erst seit der anhaltenden Rekordinflation. Die hohen Miet- und Kaufpreise im Land sind seit mindestens 20 Jahren als problematisch bekannt. Von 2008 bis 2023 hat sich der Umsatz der Immobilienwirtschaft gar verdreifacht, zum großen Teil auf Kosten der Arbeiterklasse, die sich Jahr für Jahr mit unkontrollierten Preissteigerungen konfrontiert sieht. Erst vor kurzem wurde Kitzbühel zum wiederholten Male der teuerste Grund und Boden Österreichs bescheinigt. 8050€ pro Quadratmeter Kaufpreis bzw. 22,58€ Mietpreis schlagen in der Gamsstadt zu Buche. Eine Entwicklung die sich auf den gesamten Bezirk und darüber hinaus auswirkt.
Zur Einordnung:
Dubai wäre um 75% günstiger oder man mietet sich um denselben Preis einfach gleich in Bestlage von New York City eine Wohnung mit Lounge, Fitnessstudio und eigener Security. Verursacht werden diese Rekordpreise vorwiegend durch Immobilienspekulanten die in Luxuschalets, Villen und Häuser für Superreiche investieren und wie die Aasgeier mit Millionenbeträgen um jedes freiwerdende Stück Land geiern. Land, dass in Folge für gemeinnützigen Wohnbau fehlt und am freien Markt unerschwinglich wird. Die neuen Besitzer solcher Luxusresidenzen scheren sich derweil recht wenig um den einfachen Arbeiter, der angesichts des seit Dekaden grassierenden Kaufkraftverlusts kaum noch weiß wie er über die Runden kommen soll. Mit ~ 25.000€ Brutto Jahresverdienst muss die Bevölkerung schauen wo sie bleibt. Von allen Bundesländern verdienen wir nämlich im Schnitt auch noch am geringsten. Dass das Mann-Frau Gefälle hierbei extrem negativ ausfällt, wird in Summe der Schieflagen schon fast zur Randnotiz.
Für 100 Quadratmeter in Kitzbühel müssten also 50 Jahresgehälter bezahlt werden. Der Ertrag eines gesamten Erwerbslebens nur als Kaufpreis. Zinsen, Betriebskosten, Steuern, Versicherung und Instandhaltung gar nicht eingerechnet – von Lebenshaltung ganz zu schweigen. Dass dies ohne entsprechendes Erbe nicht mehr realisierbar ist, muss eigentlich nicht mehr gesondert erwähnt werden. Auch im Rest Tirols ist die Situation nur unbedeutend besser. Ist man nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen so bleibt einem im Jahr 2023 nur mehr die ewige Mietfalle, welche einen Großteil der monatlichen Einnahmen verschlingt. Besonders ungerecht wird diese Tatsache, wenn man bedenkt, dass 80% aller Mieteinnahmen an das reichste Zehntel der Bevölkerung fließen. Viele junge Menschen entschließen sich deshalb zu einem drastischen aber durchaus logischen Schritt und kehren Tirol den Rücken. Viele verschlägt es nach Kärnten oder Wien, einige auch komplett ins Ausland. Dass sie wiederkommen ist unwahrscheinlich, zu schlecht sind die Zukunftsperspektiven in der Heimat. Das Versprechen des sozialen Aufstiegs als Lohn für Mühe und Fleiß ist längst ein entzaubertes Märchen alter Tage. Realistisch hingegen die Aussicht darauf ein Working Poor zu werden und später in die Altersarmut zu rutschen. Jene, die dennoch bleiben, können sich oft nicht mehr als ein Kind leisten oder entschließen sich aus finanziellen Gründen dazu gänzlich kinderlos zu bleiben. Was diese Entwicklung langfristig bedeutet liegt auf der Hand, wird aber seit Jahrzehnten totgeschwiegen da leider immer noch zu viele vom Status Quo profitieren.
Die zunehmend verwaisten Ortskerne in unseren Dörfern, Marktgemeinden und Städten zeigen jedoch in erschreckender Art und Weise, dass wir auf eine Verödung zusteuern, die rückgängig zu machen kaum mehr möglich sein wird. Es fehlt mittlerweile massiv an Arbeits- und Kaufkraft. Hätten wir keinen qualifizierten Zuzug aus Zweit- und Drittstaaten, wäre die Wirtschaft in Tirol bereits jetzt kaum mehr aufrecht zu erhalten.
Wird nicht sehr bald und mit drastischen Maßnahmen gegengesteuert wird aus Tirol mittelfristig ein "Lost Place". Dabei gäbe es längst Ideen dieser Entwicklung entgegenzutreten:
Transaktionssteuer auf Luxusimmobilien, gerechte Freizeitwohnsitzabgaben, eine Reform der Wohnbauförderung, beißende statt zahnlosen Raumordnungsverträge, Notarhaftungen, Pfändung illegaler Zweitwohnsitze, Kostenwahrheit im Tourismus herstellen - die Möglichkeiten zur Steuerung wären mannigfaltig, die Umsetzung jedoch mangelhaft. Das Versprechen der Wirtschaft sie reguliere sich selbst ist zu einem Bumerang geworden, der zuerst den unschuldigen Arbeiter trifft. Zu lange wurde diese Entwicklung unter dem Narrativ "war schon immer so" nur beobachtet, jetzt gilt es zu handeln. Oder um es mit den Worten von Bruno Kreisky zu sagen:
"Man kann Umstände zur Kenntnis nehmen, darf aber nicht bereit sein, sie hinzunehmen."