Blog

Der ganz alltäglich-normale „Antibablerismus“

Von: Lisa Gensluckner

 

Mitten im Wahlkampf hat es das Satire-Projekt „Die Tagespresse“ mit der Headline eines ihrer Beiträge auf den Punkt gebracht: „Nach Duell zwischen Trump und Harris: Medien sehen Babler als Verlierer“.

Fast schon egal, worum es geht: Die Sozialdemokratie und besonders Andreas Babler können es nicht richtig machen – seien es einzelne Aussagen oder Auftritte, die Themensetzung, die Wahlplakate, das Wahlprogramm… Dort, wo Wertschätzung angebracht wäre, ist sie nicht zu finden: beispielsweise bei der Einbeziehung von mehr als 1000 ExpertInnen für das sehr breit aufgestellte und hervorragende Wahlprogramm oder bei den Vorschlägen für eine Gegenfinanzierung von zukünftigen Vorhaben. Es gibt auch einzelne, andere Stimmen. Wir lesen vom „Babler-Bashing“, der „Babler-Demontage“, dem „Antibablerismus“. Einer, der als Sozialdemokrat zu deren Grundwerten steht, hat es in Österreich besonders schwer. Armin Thurnher bezeichnet Babler daher als „polit-österreichisches Medienopfer“ (Falter Nr. 35/24, S. 5).

Es gibt noch eine sehr spezielle Seite an dieser „Babler-Demontage“, die sie auch auszeichnet: Sehr oft und zwischen den Zeilen geht es nicht um Inhalte, sondern um Angriffe, die direkt auf die Person abzielen und zuweilen an Respektlosigkeit und Verachtung grenzen (nicht nur auf oe24). Solche Angriffe machen sich am Auftreten, der Körpersprache und der Sprechweise fest: zu schnell, unverständlich, zu lange Sätze, kein schönes geschultes Hochdeutsch. Die Botschaft dieser Angriffe: Er könne es nicht bringen als Kanzler. Für diese Art von Untergriffigkeit gibt es eine sehr zutreffende Bezeichnung: Klassismus zeigt sich in der Abwertung von Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft, ihrer ökonomischen Position oder ihrer Milieuzugehörigkeit. Klassistische Zuschreibungen werden oft am Marker „Dialekt“ oder z.B. auch an Bildungsabschlüssen festgemacht und leben von der Verachtung jener Menschen, die früher als „ArbeiterInnenklasse“ adressiert wurden. Dafür bietet sich eine Person besonders an, die mit ihrer eigenen Herkunftsgeschichte – als Kind einer Arbeiterfamilie – Politik macht, daher glaubwürdig auf Lebensrealitäten von Menschen Bezug nehmen kann und dabei noch Stolz und Würde ausstrahlt.

Was sagt das alles aus über die Substanz unsere Demokratie? Elfriede Hammerl hat auf ihrer Facebook-Seite darauf hingewiesen, dass vielen Menschen – so auch ihr selbst – in unterschiedlichen Lebensphasen oft die Zeit und Energie fehlt, um sich ausreichend politisch zu informieren: Beruf, Kinder, Haushalt, Garten,… Die Aufgabe von Medien wäre es hier zu vermitteln, wofür politische Parteien stehen, immerhin ist es das tägliche Geschäft von JournalistInnen zu recherchieren und sich ein genaues Bild zu machen. Elfriede Hammerl fragt aber zu recht, was von den programmatischen Vorhaben der SPÖ beim Publikum wohl ankommen wird: „Was Leute, die sich schnell und einfach kundig machen wollen, darüber in den Zeitungen lesen, muss (…) in ihnen den Eindruck erwecken, es gehe um völlig abstruse Ideen. Ein Bankomat für jede Ortschaft? Ein Recht auf analoge Kontakte mit Behörden? Zeitnahe Termine bei Kassenärzt:innen? So, wie das medial wiedergegeben wird, kommt man sich vor wie der letzte Trottel, wenn man zugibt, dass einem das gefällt.“ Ohne unabhängigen, qualitativ hochwertigen Journalismus ist keine Demokratie, die diesen Namen verdient, zu haben.

Und wem hilft das alles? Das Gegenprogramm zur FPÖ finden wir in der SPÖ - sie ist der Garant, um die FPÖ in einer Regierung zu verhindern. Wer die Sozialdemokratie niederschreibt, befördert automatisch die Rechten. So verliert z.B. auch Der Standard an Glaubwürdigkeit mit seiner ansonsten fundierten Berichterstattung über Rechte und Rechtsextreme.

Mittlerweile müssen sich unterschiedliche Medien mit diesem Phänomen der offensichtlichen „Babler-Demontage“ auch beschäftigen, von Selbstkritik ist aber nicht viel zu lesen. Vielmehr werden „Verschwörungstheorien“ vermutet, wenn angemerkt wird, dass gerade das Thema Vermögenssteuer wohl den Interessen wohlhabender Medienunternehmen widerspricht; oder es wird einfach unterstellt, dass man für die herbeigeredete Niederlage der SPÖ (Stichwort Umfragen) nach einem Schuldigen suchen würde. Worüber wir aber diskutieren sollten, ist ein Phänomen, das auch als Diskursverschiebung nach rechts beschrieben werden könnte: Am Beispiel der Asylpolitik ganz klar ersichtlich, zeigt sich eine solche Diskursverschiebung auch in vielen anderen Bereichen. Mit einer solchen Diskursverschiebung ist nicht willentlich-absichtliches, von Interessen geleitetes Handeln gemeint, um rechtes Gedankengut salonfähig zu machen. Vielmehr ist damit gemeint, was mittlerweile schon als normal und selbstverständlich gilt. Sich links der Mitte zu positionieren, lässt sich leicht skandalisieren, weil die sogenannte Mitte schon sehr weit rechts angesiedelt ist.

Das betrifft auch die mediale Sehnsucht, wenn es um Kritik (Stichwort „Querschüsse“) versus Geschlossenheit geht. Warum dominiert jede – noch so kleine – innerparteiliche Kritik die Schlagzeilen? Was wird – im Vergleich dazu – alles nicht skandalisiert? Mit dem Zuteilen von medialer Aufmerksamkeit wird auch politische Stimmung gemacht. Von welcher Norm aus erfolgt das Urteil und die mediale Zuteilung von Aufmerksamkeit, wenn sich Medien so gerne auf innerparteiliche Kritik stürzen? Message-Control a la Sebastian Kurz? Eine lebendige (innerparteiliche) Demokratie braucht auch eine inhaltliche Auseinandersetzung.

Harte Zeiten also für die Sozialdemokratie: Es gilt anzukämpfen gegen einen so starken Gegenwind, dass die Botschaften kaum mehr durchkommen und gehört werden können, während die Rechten einfach so durchrauschen. Ich denke mir dazu: Wir kämpfen weiter! Vor der Wahl … nach der Wahl. Und auch hier hat die SPÖ eine sehr gute Themensetzung vorgenommen: Es geht um nichts weniger als die Demokratie. Und dafür wird es zukünftig auch viele Überlegungen dazu brauchen, wie eine linke Medienkritik formuliert und zum Thema gemacht werden kann.